Derzeit erörtert der Landtag, ob und welche Veränderungen es bis Ende der laufenden Legislaturperiode 2026 in der Rheinland-Pfälzischen Landesverfassung geben soll. Dabei spielt das Thema „Stärkung der Rechte von Kindern und Jugendlichen“ aktuell keine Rolle in der Diskussion.

Diese Situation nahm der Landesverband des Kinderschutzbundes Rheinland-Pfalz unter Vorsitz von Klaus-Peter Lohest zum Anlass, um mit Verantwortlichen auf Ministerebene zu sprechen. Die Forderung des Landesverbandes: der Artikel 24 („Schutz der Kinder“) unserer Landesverfassung soll um zwei Aspekte konkretisiert werden:

  • Vorrang des Kindeswohls bei allen staatlichen Entscheidungen und
  • Beteiligungsrechte für Kinder und Jugendliche (unter 18 Jahre).

Der OV Speyer unterstützt diesen Vorstoß, u.a. mit einer Briefaktion an Michael Wagner, MdL CDU, Oberbürgermeisterin Stefanie Seiler und alle Fraktionsvorsitzenden der demokratischen Parteien im Stadtrat. Gemeinsam hoffen wir, dass diese ihre Kontakte  aktivieren, damit das Thema im Landtag auf die Agenda kommt. Selbstverständlich hat der Kinderschutzbund OV Speyer auch Kontakt mit dem Jugendstadtrat aufgenommen. In der Juni-Sitzung wird der Vorstand Gelegenheit haben, auch zu diesem Thema mit den Jugendstadträten zu diskutieren.

Oberbürgermeisterin Seiler hat zugesagt das Schreiben des Kinderschutzbundes umgehend persönlich an die Ministerpräsidentin Malu Dreyer zu übergeben.

Der Vorrang des Kindeswohls ist nicht so abstrakt wie er klingt, er hat ganz konkrete Wirkung im Alltag.

Ein Beispiel: bei der Straßen- und Verkehrsplanung müssten die Belange von Kindern und Jugendlichen berücksichtigt werden, sei es bei der sicheren Gestaltung von Schulwegen, geeigneten Radfahrstrecken, der Taktung des öffentlichen Nahverkehrs. Der Vorrang des Kindeswohls bedeutet auch mehr allgemeine Menschenfreundlichkeit, denn auch ältere Menschen würden von solchen Überlegungen bei der Planung profitieren.

Manche Erwachsene befürchten, dass die Stärkung der Rechte von Kindern und Jugendlichen die Rechte der Eltern schwächt; diese Angst ist unbegründet, darum geht es nicht bei dieser Gesetzesinitiative. Die Klarstellung der Verpflichtungen des Staates bedeutet in der Praxis vielmehr eine Stärkung der Rechte von Familien.

Die Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen sind grundlegend für eine funktionierende Demokratie und für die Würde der Betroffenen selbst. Artikel 1 des GG („Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“) bedeutet auch, dass Kinder und Jugendliche nicht nur als Schutzobjekte gesehen werden dürfen. Wenn wir wollen, dass sie demokratisch mitwirken, dann müssen sie sich emanzipieren dürfen und als Subjekte ihrer eigenen Rechte respektiert werden. Kinder und Jugendliche wollen gehört werden und die Gesellschaft muss Wert darauflegen, dass dies auf eine rechtsstaatliche, würdige Art und Weise geschieht. Nur wer in der Beteiligung Selbstwirksamkeit erfährt, wird sich gerne engagieren.

Derzeit haben in RLP bei einem Wahlalter von 18 Jahren (passives Wahlalter z.T. sogar 23) 670.000 junge Menschen kein Stimm- und somit Mitgestaltungsrecht (75.000 zwischen 16-18 Jahren). Das bedeutet: Jüngere Menschen sind bei Wahlen deutlich unterrepräsentiert, ihre Anliegen werden folgerichtig auch von den politischen Parteien viel weniger vertreten als diejenigen der prozentual stärker vertretenen Wählerschaft

Dabei müssten die Abgeordneten aus Rheinland-Pfalz das Rad nicht neu erfinden. Bei der Europawahl im Juni dürfen zum ersten Mal auch 16-Jährige wählen. In sechs Bundesländern haben 16-Jährige sowohl bei den Kommunal- als auch bei den Landtagswahlen Stimmrecht, in weiteren vier Bundesländern bei den Kommunalwahlen. In den entsprechenden Landesverfassungen finden sich erweiterte Formulierungen, die die Forderungen des Kinderschutzbundes erfüllen könnten.

Text von Gabriele Weindel-Güdemann